Gründung einer neuen Partei durch Sahra Wagenknecht

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Laurin
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Gründung einer neuen Partei durch Sahra Wagenknecht

Post by Laurin »

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Heute haben ja Wagenknecht und ihre Mitstreiter in einer Bundespressekonferenz ihr neues Parteiprojekt vorgestellt. Obwohl aus der Linken entstanden, ist an keiner Stelle mehr von linken oder gar sozialistischen Vorstellungen die Rede - diese Begriffe wurden auffallend vermieden - statt dessen wird immer wieder die 'Vernunft' bemüht. Was vernünftig ist und was nicht, liegt freilich immer im Auge des Betrachters.

Einige Eckpunkte die in der Bundespressekonferenz genannt wurden:

Migration: Die will man stoppen, ähnlich wie man es in Dänemark getan hat. Asyl soll politisch Verfolgten nach wie vor gewährt werden, allen anderen nicht - die Außengrenzen der EU sollen noch besser abgeschottet werden. Statt dessen will man die Fachkräfteausbildung in Deutschland fördern.

Steuern: Superreiche sollen stärker besteuert werden, aber der wohlhabende Mittelstand nicht. Als Beispiel wurde der Eigenheimbesitzer in München genannt, dessen Haus schon mal über eine Million wert sein könne - was man aber nicht angreifen wolle. Es gehe um die Klasse die deutlich darüber liegt.

Außenpolitik: Deutschland soll in Konflikten wieder zur früheren Vermittlerrolle zurückfinden, und die nicht mit Rüstung und Militär befeuern. Frieden sein das Ziel und nicht militärische Auseinandersetzungen, in denen man keine Lösung sieht

Innenpolitik: Statt dessen soll mehr in Infrastruktur, Schulen und Bildung investiert werden. Deutschland sei kaputtgespart und marode, das müsse geändert werden.

Europa: Die EU-Kommission soll entmachtet werden, und wieder Kompetenzen in die Staaten zurück verlagert werden. Man wünscht sich ein Europa der Kooperationen statt ein zentralistisches Europa (man könne ja mehr Bahnverbindungen zwischen den Staaten schaffen oder auch ein Erasmus-Programm stärker fördern).

Energiepolitik: Es soll wohl zurück zu russischen Gas und Öl gehen, da wir das auf Umwegen über Indien und Belgien sowieso beziehen, nur viel zu teuer. Damit will man die deutschen Unternehmen wieder konkurrenzfähig machen.

Klimapolitik: Als 'unsinnig' eingeschätzte Klimabemühungen, 'die sowieso nicht bringen', werden abgelehnt. Statt dessen setzt man auf noch zu entwickelnde Zukunftstechnologien, um irgendwann von den fossilen Energien weg zu kommen.


Dann wurden Fragen gestellt, aus den Antworten konnte man folgendes entnehmen:

Die eigene Partei und das Umfeld: Mit der AfD wolle man nicht kooperieren. Bei der eigenen Partei will man sorgsam darauf achten, dass man keine zweifelhaften Leute aufnehme, die der Partei dann mehr schaden als nutzen. Lieber will man langsam wachsen. Aus allen anderen Parteien seien natürlich Mitglieder willkommen. Wichtig sei, dass neue Mitglieder auch zu dem Programm der neuen Partei stehen-

Die Linke: 10 Fraktionsmitglieder sind wohl aus der Partei ausgetreten, und es wurden eine Menge Krokodilstränen vergossen. Aber nein, man habe kein schlechtes Gewissen. Das Mandat werde man nicht zurück geben, da man ja wegen der eigenen Person gewählt worden sei. Die Fraktion könne man bis Ende des Jahres bestehen lassen, wenn die Linke damit einverstanden sei. Und nein, man habe keinen Mitgliederdatendiebstahl begonnen, wie es der Linken-Strafantrag gegen Lukas Schön unterstellt. Die mit dem Mandat verbundenen Vergütungen werde man in der Zukunft für die eigene Partei verwenden.

Israel/Gaza: Wagenknecht wurde gefragt, wer denn der Gefängniswärter sei, wenn sie behaupte Gaza sei ein 'Freiluftgefängnis'. Eine direkte Antwort darauf gab es trotz Nachfragen nicht. Deutschland habe aufgrund seiner Historie natürlich eine besondere Verantwortung, aber man müsse zu einer friedlichen Zweistaatenlösung kommen.


Persönliche Einschätzung:

Soweit so gut oder so schlecht. Die neue Partei wird einige zentrale Forderungen bedienen, die viele bisher zur AfD geführt haben (Migration, Energie- und Klimapolitik, Sicherheitspolitik und Europa), ohne deren Nationalismus, Demokratiefeindlichkeit, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit zu bedienen. Es ist gut, dass Menschen die dies teilen, eine bessere und hoffentlich demokratischere Alternative als die reaktionäre und gestrige AfD bekommen.

Linke Vorstellungen eines demokratischen Sozialismus werden bei diesem Hauch der Umverteilung bei den Superreichen allerdings nicht mehr bedient, da kann man genauso gut auch SPD wählen. Genauso werden sich Grüne und die gesamte Klimabewegung bei diesen eher FDP-nahen Vorstellungen von 'Klimaschutz durch technische Innovationen' nicht wiederfinden - zu deutsch heißt das ja: Klimaschutz nur, wenn uns was Besseres einfällt. Außen vor bleiben auch die für eine moderne Gesellschaft so wichtigen Gleichberechtigungs- und Selbstbestimmungsthemen aus der Identitätspolitik. Das Europaprojekt wird praktisch aufgegeben.

Unschön ist der parteiinterne Übergang, und auch unfair gegenüber der Partei und den ehemaligen Kollegen aus der Linken. Die Pfründe und Vorteile nimmt man gerne mit, aber lässt dadurch dass man sich am Mandat festklammert und die Plätze für Nachrücker nicht freigibt, die Linke als Fraktion komplett havarieren. Eine Neugründung, die so wenig eigene Größe zeigt und sich so rücksichtslos verhält, empfiehlt sich m.E. jetzt nicht gerade dem Wähler.

Ob sich die auf Phönix genannten Umfragewerte von bis zu 27% bewahrheiten, darf man bezweifeln. Solange man im vagen bleibt, wird man natürlich viele Leute anziehen, die Geister werden sich aber scheiden, wenn kritische Themen konkretisiert werden (müssen). Die andere und vielleicht entscheidendere Frage ist vielleicht aber noch die Frage von Organisation und Management - und dazu wird es nicht reichen, in der Linken zu plündern.

Laurin

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