Fridays for Future - Proteste

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Laurin
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Re: Fridays for Future - Proteste

Post by Laurin »

Eisrose wrote: 15.01.2023, 20:51 ...
Und es macht ja niemand in der Welt bei den CO2-Budgets mit. Das bedeutet, das wir hier bei uns immer mehr Dampf machen, den du ja gut findest, der uns aber auch ganz konkret sehr viel kostet, denn wenn niemand sonst dabei mitmacht, schränken wir uns immer mehr ein und die Vorteile im Rest der Welt zu produzieren steigen und steigen. Das ist kontraproduktiv, denn im direkten Vergleich stehen wir dann immer schlechter da. Wie lange machen das die Menschen hier mit?

Und es wird ja jedes Jahr schlimmer werden. Wir haben uns in Deutschland noch 22 Jahre gegeben, bis wir auf Null sein müssen! Wenn das jetzt irgendwo nicht ganz so planmässig läuft, wie z.B. durch den Krieg in der Ukraine, wird unser Druck in Europa immer höher, sonst aber nirgends auf der Welt.
...
Ich glaube schon, dass das realistische Ziele sind, die erreichbar sind wenn wir den Weg nur konsequent betreiben. Wenn man sich natürlich statt dessen in einem Krieg engagiert und der erste Priorität bekommt, wars das dann mit den gesetzten Zielen. Auch deshalb darf der Krieg in der Ukraine nicht unabsehbar weiter geführt werden.

Natürlich können sich globale Konzerne dafür entscheiden, aus Energie-Kostengründen z.B. lieber in Indien, Ungarn oder China zu produzieren und Konzernteile dahin zu verlagern. Damit können sich globale Konzerne den Interessen des Staats entziehen, und da gerade börsennotierte Unternehmen sich eher dem kurzfristigen Quartalsgewinn als langfristigen strategischen Entscheidungen verpflichtet sehen, kann der Kapitalismus hier dem Gemeinwohl durchaus ein Schnippchen schlagen - so ähnlich wie mit den Steuern, man geht halt dahin, wo man am wenigsten zahlen muss.

Der Staat, und in dem Fall vor allem die EU, haben allerdings ihrerseits die Möglichkeit, die Produkte solcher Unternehmen beim Import wiederum mit einer nicht unerheblichen CO²- oder Klimasteuer zu veranschlagen, was den Fluchteffekt zumindest für den EU-Markt neutralisieren würde. Die nächste Möglichkeit, Unternehmen zu binden, besteht in der gezielten Förderung klimaneutraler Technologien. Und da die Klimakrise auch in anderen Teilen der Welt zunehmend spürbar werden wird, fossile Energien nun mal absehbar endlich sind und irgendwann überall teurer werden, bedeutet das für Unternehmen die sich für den klimaneutralen Weg entscheiden, mittel- und langfristig sogar einen strategischen Marktvorteil.

Beispiel Stahlverhüttung: Man kann die jetzt vielleicht aufwendig nach Indien auslagern, um die dort weiter mit billiger Kohle oder Gas zu betreiben, macht damit noch ein paar Jahre gute Geschäfte bis auch dort die Preise für fossile Energien ansteigen, oder man stellt die Verhüttung hier mit einer gewissen staatlichen Förderung auf Wasserstoff als Energieträger um - (der eines Tages sogar billiger werden könnte als fossiles Gas), hat den Marketingvorteil des ökologisch Sauberen, zahlt in der EU keine Klimaabgaben, und kann irgendwann in Ruhe dem Sterben der rückständigen fossilen Konkurrenz zuschauen.

Gelingt es der EU, den Strompreis vom Merit-Order-Prinzip zu lösen, bestimmt also nicht mehr der teuerste Energieträger bei der Verstromung den Preis, dürfte der Strompreis bei weiterem Ausbau der erneuerbaren Energien sogar deutlich sinken, wovon auch die Industrie wiederum profitiert.

Also die These, dass die angepeilten CO²-Budgets und entsprechende Maßnahmen automatisch zu einer Deindustrialisierung führen werden, halte ich nicht für zwangsläufig - ich sehe darin viel eher einen stärkeren Anreiz, innovativer zu werden - vorausgesetzt, wir verbinden das mit den entsprechenden massiven staatlichen Anreizen für klimaneutrale Technologien. Richtig umgesetzt, könnte es bei uns zu einem Technologieschub führen.
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Re: Fridays for Future - Proteste

Post by Laurin »

Eisrose wrote: 16.01.2023, 00:15 ...
Einen weiteren wichtigen Punkt hatte Mojib Latif: die ganzen Anstrengungen im Klimaschutz funktionieren nur global. Das ist ja irgendwo auch ein Fazit aus meinen Ausführungen hier.
Er sagt aber auch, dass man endlich mal konsequent handeln muss, auch bei uns.
Eisrose wrote: 16.01.2023, 00:15 Greta Thunberg, die von Anne Will interviewt wurde, hat mich übrigens überhaupt nicht überzeugt.

Apropos Greta Thunberg:
Laurin wrote: 15.01.2023, 19:03 ... Aber Greta Thunberg mal bei einer Demo zu treffen, wäre schon eine schöne Sache ...
:wub:
Ich bin tatsächlich mal zu einer FFF-Demo gegangen, nur, weil ich Greta Thunberg sehen wollte. Bin sogar ziemlich weit nach vorne gekommen, lach. Wirklich gelohnt hats sich aber nicht. Du hast da nichts versäumt.
Du machst ja Sachen. :rolleyes:

Und ja, Greta war in dem Interview etwas schwach. Ich bin auch in anderen Punkten nicht immer einer Meinung mit ihr, trotzdem finde ich es faszinierend, wenn man ihren Werdegang verfolgt - von der trotzigen Schülerin die sich mit ihrem Plakat einfach irgendwo auf die Stufen hockte, bis hin dass sie plötzlich in Verbindung mit vielen Klimawissenschaftlern stand und weltweit irgendwie zu einer Art Ikone der Bewegung wurde.

Andere wie Luisa Neubauer oder Carla Reemtsma sind in Diskussionen oft schlagfertiger.
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Eisrose
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Re: Fridays for Future - Proteste

Post by Eisrose »

Laurin wrote: 16.01.2023, 00:42 Beispiel Stahlverhüttung: Man kann die jetzt vielleicht aufwendig nach Indien auslagern, um die dort weiter mit billiger Kohle oder Gas zu betreiben, [...]
Also bei der Stahlverhüttung ist Deutschland doch bereits so abgehängt, abgehängter gehts bald gar nicht mehr. Da dominiert China den Markt so stark, dass Indien kaum mithalten kann, auch wenn die aufholen und mitzappeln.
Laurin wrote: 16.01.2023, 00:42 Gelingt es der EU, den Strompreis vom Merit-Order-Prinzip zu lösen, bestimmt also nicht mehr der teuerste Energieträger bei der Verstromung den Preis, dürfte der Strompreis bei weiterem Ausbau der erneuerbaren Energien sogar deutlich sinken, wovon auch die Industrie wiederum profitiert.
Ich hab mal was über das Merit-Order-Prinzip gelesen, danach soll das sowohl Vorteile als auch Nachteile haben. Ich kann allerdings keine Vorteile aufzählen, lach. Vermutlich überwiegen inzwischen tatsächlich die Nachteile, die einen schon überhöhten Strompreis noch weiter nach oben treiben. Also ist es vermutlich gut, wenn das abgeschafft wird.
Laurin wrote: 16.01.2023, 00:42 Also die These, dass die angepeilten CO²-Budgets und entsprechende Maßnahmen automatisch zu einer Deindustrialisierung führen werden, halte ich nicht für zwangsläufig - ich sehe darin viel eher einen stärkeren Anreiz, innovativer zu werden - vorausgesetzt, wir verbinden das mit den entsprechenden massiven staatlichen Anreizen für klimaneutrale Technologien. Richtig umgesetzt, könnte es bei uns zu einem Technologieschub führen.
Das CO2-Budgets "automatisch" zu einer Deindustrialisierung führen, hat niemand behauptet. Aber du hast gute Argumente dafür gebracht, dass die Gefahr dafür vielleicht nicht ganz so hoch ist, wie ich angenommen habe.
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Re: Fridays for Future - Proteste

Post by Laurin »

Eisrose wrote: 16.01.2023, 01:33
Laurin wrote: 16.01.2023, 00:42 Beispiel Stahlverhüttung: Man kann die jetzt vielleicht aufwendig nach Indien auslagern, um die dort weiter mit billiger Kohle oder Gas zu betreiben, [...]
Also bei der Stahlverhüttung ist Deutschland doch bereits so abgehängt, abgehängter gehts bald gar nicht mehr. Da dominiert China den Markt so stark, dass Indien kaum mithalten kann, auch wenn die aufholen und mitzappeln.
...
Das stimmt, aber war jetzt nur mal ein Beispiel für energiehungrige Industrie, die es ja auch bei uns gibt. Dass sich die Stahlindustrie so stark nach China verlagert hat, ist schon zu Zeiten von billigem Russland Gas passiert - und lag nicht an unserem CO²-Budget.

Es gibt aber noch Stahlindustrie in Deutschland. Z.B. arbeitet ein Neffe von mir bei Winter in Stadt Allendorf, die nach eigenen Angaben 'größte konzernunabhängige Gießerei Europas': Eisen im Blut
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Re: Fridays for Future - Proteste

Post by Laurin »

Vor dem Hintergrund aktueller Auseinandersetzungen ist Geschichte interessant - hier eine Zeitreise ins Jahr 1994 mit Monitor: Lützerath-Räumung: Was vor 30 Jahren geschah (6 min Laufzeit)

Damals gehörte die Gegend von Garzweiler II, die Greta Thunberg heute aufgrund der Zerstörungen als 'Modor' bezeichnet hat, noch zu dem größten Naturschutzgebiet Europas (Maas-Schwalm-Nette). Und wir sehen schon damals die gleichen Diskussionen wie heute.

Die Akteure von damals: RWE, Johannes Rau von der SPD als Ministerpräsident, Helmut Kohl als Kanzler, und seine Bundesumweltministerin Angela Merkel. Die Konflikte von heute sind das Ergebnis eines jahrzehntelangen beispiellosen Politikversagens.

Hier noch ein Bild, was ich irgendwie typisch finde für das Verhältnis von Energiekonzernen und Politik: https://www.haschult.de/img/fullscreen/ ... obe/01.jpg (Hintergrund verfremdet)
(RWE-Chef Großmann, Eon-Chef Teyssen und Merkel 2010 in einem Atommeiler - Original)
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Re: Fridays for Future - Proteste

Post by Eisrose »

Laurin wrote: 16.01.2023, 14:13 Damals gehörte die Gegend von Garzweiler II, die Greta Thunberg heute aufgrund der Zerstörungen als 'Modor' bezeichnet hat, noch zu dem größten Naturschutzgebiet Europas (Maas-Schwalm-Nette).
Ich habe mal den Tagebau nördlich von Cottbus besucht. Das sieht wirklich wie Mordor aus. Dort wird das aber mit Wasser geflutet und soll dann ein Ost-See werden...
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Re: Fridays for Future - Proteste

Post by Laurin »

Jup, da war ich vor 3-4 Jahren auch mal, und habe das von dem Aussichtsturm aus bestaunt. Wirkt schon irgendwie apokalyptisch mit den riesigen Kohle-Kraftwerksblöcken am Horizont hinter den See-Flutungen ...

https://www.google.com/maps/place/%22Os ... 14.3926771#

https://www.google.com/maps/place/"Osts ... 14.3926771
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Eisrose
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Re: Fridays for Future - Proteste

Post by Eisrose »

Laurin wrote: 16.01.2023, 15:00 Jup, da war ich vor 3-4 Jahren auch mal, und habe das von dem Aussichtsturm aus bestaunt.
Genau auf dem Turm war ich auch ;-)
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Re: Fridays for Future - Proteste

Post by Laurin »

Troh.Klaus wrote: 15.01.2023, 18:38 ...
Greta Thunberg zur zerstörten Kraterlandschaft des Braunkohlereviers: "Es sieht wirklich aus wie Mordor.."
Sieht auch so ähnlich aus wie Kiruna.
Es stimmt, Kiruna sieht auch wüst aus, hat aber einen wesentlich kleineren Flächenbedarf als Garzweiler I und II, die mit über 100 km² einen deutlich größeren Flächenbedarf haben - und fördert auch keine fossile Kohle.

Kiruna: https://www.mineralienatlas.de/VIEWmaxF ... Kiruna.jpg
Garzweiler: https://rp-online.de/imgs/32/1/2/1/1/0/ ... c03793.jpg

Hier mal eine Liste der betroffenen Ortschaften im Raum Garzweiler - das sind alleine 30, wovon 8 nun bestehen bleiben sollen - insgesamt hat der Tagebau in Deutschland allerdings viel mehr verschlungen.
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Pinky und Brain

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Pinky und Brain haben 5 Tage in ihrem selbst gegrabenen Tunnel unter Lützerath ausgeharrt: Das Lützerather Tunnelsystem - So verzögern wir die Räumung || 12.01.2023
Ich hätte das nicht gekonnt - dagegen wirkt 7vsWild wie Urlaub. :o

Heute haben sie dann ihre Aktion beendet: https://www.mopo.de/news/panorama/luetz ... en-tunnel/
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Re: Fridays for Future - Proteste

Post by Troh.Klaus »

Laurin wrote: 16.01.2023, 15:18
Troh.Klaus wrote: 15.01.2023, 18:38 ...
Greta Thunberg zur zerstörten Kraterlandschaft des Braunkohlereviers: "Es sieht wirklich aus wie Mordor.."
Sieht auch so ähnlich aus wie Kiruna.
Es stimmt, Kiruna sieht auch wüst aus, hat aber einen wesentlich kleineren Flächenbedarf als Garzweiler I und II, die mit über 100 km² einen deutlich größeren Flächenbedarf haben - und fördert auch keine fossile Kohle.
So what. Ich wollte nur darauf hinweisen, dass Lüzerath keinen exklusiven Anspruch auf "Mordor" hat.
Bleibt gesund!
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Re: Fridays for Future - Proteste

Post by Frosch »

Ist Mordor nicht Russland, wenn da die Orks herkommen?
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Mania
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Re: Fridays for Future - Proteste

Post by Mania »

Man könnte mal fragen ob dieser "symbolische Kampf" am Ende 70 verletzte Polizisten und 100 verletzte Demonstranten wert waren.

Ich halte nicht so viel von rein symbolischen Kämpfen wenn der Ausgang eh schon entschieden ist und fest steht. Ja, Zeichen setzen ist wichtig, aber zu welchem Preis?

Hätte man nicht einfach sagen können "okay, wir machen jetzt eine symbolische Sitzblockade, ihr Cops tragt uns symbolisch weg, und dann haben wir alle unseren Job gemacht" ?
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Re: Fridays for Future - Proteste

Post by Laurin »

Der Richtungsstreit um die Klimapolitik ist ja noch lange nicht zu Ende. Was du vorschlägst ist eher eine Kapitulation.
Und was die Gewalt angeht, müsste man da nicht viel eher fragen, wieso es so eskaliert ist?


Ansonsten, wenn ich mir die ganzen verwüsteten Tagebaustätten anschaue, und die endlose Liste an Orten (s.o.) sehe, die dafür inzwischen geopfert wurden, muss man feststellen, dass unser Energiebedarf anscheinend gewaltig ist - und es kommt mir ein bisschen so vor, wie wenn jemand eigene Körperteile isst und sich damit selber kannibalisiert, weil er so hungrig ist ...
^^
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Re: Fridays for Future - Proteste

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Frosch wrote: 16.01.2023, 17:04 Ist Mordor nicht Russland, wenn da die Orks herkommen?
jedenfalls Putin hätte diese Gebiete auch nicht besser verwüsten können, da hast du recht.
:(
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