Der Wald - Waldsterben 2.0

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Laurin
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Re: Der Wald - Waldsterben 2.0

Post by Laurin »

Eisrose wrote: 04.11.2021, 21:04 ...
Und Plantage versus Wildnis ist eine wenig hilfreiche Polemisierung. Wo gerade in Deutschland schon immer Wert auf Nachhaltigkeit in der Forstwirtschaft gelegt wurde.
Laurin wrote: 04.11.2021, 20:28 Aber auch die Forstwirtschaft wird die von ihr gemachten Fehler erkennen müssen, also z.B. auf Monokulturen verzichten oder nicht mehr mit schwerem Gerät rücksichtslos durch die Wälder kurven ...
Hat die Forstwirtschaft nicht schon längst von ihr gemachte Fehler erkannt? Wo bitte wird denn heute noch auf Monokulturen gesetzt? Das ist doch ein Vorwurf von Gestern. Und das "schwere Gerät" fährt auf sogenannten Rückegassen und Rückewegen und "kurvt nicht rücksichtslos durch die Wälder."
Dass Naturwälder hunderte von Jahren brauchen um sich aufzubauen, habe ich nirgendwo geschrieben - die Natur holt sich i.d.R. sehr schnell ihre Bereiche zurück, wenn wir sie sich selbst überlassen.

Ich bin ja gerne und viel in der Natur unterwegs, und konnte zumindest im Taunus wo ich immer viel unterwegs war, viele dieser brachialen Schneisen sehen, zum Teil sogar an kleinen versteckten Gipfeln, wo sich vorher nur Fuchs und Gans gute Nacht gesagt haben. Die Buschläuferin Vanessa Blank berichtet zum Teil sogar von richtigen Straßen welche sich die bayerische Forstwirtschaft anlegt: https://youtu.be/h7mudTdiJ4s?t=436

Ich glaube nicht dass das, was Wohlleben berichtet, eine Illusion ist. Z.B. den Kühleffekt von Bäumen kann jeder beobachten der sich mal im heißen Sommer unter einen großen Baum setzt - und das dann mit einem Sonnenschirm vergleicht. Pflanzen wir heute Bäume oder lassen wir Natur verwildern, haben wir bereits in wenigen Jahrzehnten einen positiven Effekt - was wir eigentlich auch immer dringender benötigen werden. Es wäre widersinnig, dies nicht zu nutzen.

Die Zuschreibung 'Waldplantage' halte ich für eine durchaus zutreffende Beschreibung - denn was anderes sind denn Monokulturen und in Reih und Glied geordnete Wälder - jedenfalls keine naturnahe Wildnis, und von Nachhaltig kann bei der großflächigen Verwertung zu Brennholz auch kaum die Rede sein. Im Harz wo ich hingezogen bin, sieht man die Folgen dieser Misswirtschaft deutlich, Quadratkilometer große verdorrte Flächen, die nun als Brache dastehen. Dass man jetzt von Fichten zu Douglasien wechselt scheint mir kein Zeichen eines Besserungsprozesses zu sein.

Auch das Ahrtal hat durch diese Art der Forstwirtschaft und gelitten, die Wassermassen die dort nieder gingen, rauschten ungebremst zu Tal, weil die verdichteten und ramponierten Böden dieser Wälder gar nicht mehr in der Lage sind, wie früher in Naturwäldern das Wasser zu speichern. Diese reduzierte Fähigkeit zur Wasserspeicherung ist - neben den Dürresommern, auch der Grund warum in fast allen fortwirtschaftlichen Wäldern so viele Bäume vertrocknen und absterben. Bei besserer Fähigkeit zur Wasserspeicherung durch eine schonendere Bewirtschaftung hätten wir logischerweise eine höhere Resistenz gegenüber Dürresommern.

Das romantische Bild, was sich die Fortwirtschaft zu geben versucht, ist m.E. Kokolores - dort geht es in erster Linie um den möglichst schnellen Profit, den man ja zu Lebzeiten noch haben will.

Ich halte es für richtig, dieses kurzsichtige Denken deutlich anzuprangern - denn es betrifft uns alle.
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Eisrose
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Re: Der Wald - Waldsterben 2.0

Post by Eisrose »

Laurin wrote: 04.11.2021, 21:47
Dass Naturwälder hunderte von Jahren brauchen um sich aufzubauen, habe ich nirgendwo geschrieben - die Natur holt sich i.d.R. sehr schnell ihre Bereiche zurück, wenn wir sie sich selbst überlassen.
Hier vielleicht:
Laurin wrote: 04.11.2021, 11:43 [...] dass große alte Bäume sich über epigentische Vorgänge über die Jahrhunderte sogar an ändernde Umweltbedingungen anpassen können [...]
Natürlich holt sich die Natur ihre Bereiche zurück. Nur, dass das so reibungslos läuft, dass ein Naturwald einem Nutzwald sofort überlegen sein muss, habe ich bestritten.

Überlässt man einen Fichtenwald sich selbst, wird da eben nicht auf die Schnelle und von ganz alleine ein Mischwald draus, sondern es wird erstmal ein Fichtenwald bleiben, mit allen Konsequenzen. Wenn der Mensch nicht eingreift, kann es sogar sein, dass an manchen Orten der Wald vom Klimawandel erstmal zerstört wird und wir dort ein paar tausend Jahre überhaupt keinen Wald haben. Aus der Sicht der Natur wäre das ein ganz normaler Vorgang. Es mag eine populäre Vorstellung sein, dass die Natur alles besser kann, das muss aber nicht richtig sein, jedenfalls aus Sicht des Menschen.

Ich gehöre nicht zu denen, die zurück auf die Bäume wollen, um mal im Bild Wald zu bleiben, lach. Die Zivilisation hat uns viel gebracht.
Laurin wrote: 04.11.2021, 11:43 Z.B. den Kühleffekt von Bäumen kann jeder beobachten der sich mal im heißen Sommer unter einen großen Baum setzt - und das dann mit einem Sonnenschirm vergleicht. Pflanzen wir heute Bäume oder lassen wir Natur verwildern, haben wir bereits in wenigen Jahrzehnten einen positiven Effekt - was wir eigentlich auch immer dringender benötigen werden. Es wäre widersinnig, dies nicht zu nutzen.
Nur spielt es überhaupt keine Rolle, ob es sich hier um einen Baum aus einem Naturwald oder einen Baum aus einem Nutzwald handelt. Einzig auf die Grösse kommt es an. Grosser Baum: viel Photosynthese, kleiner Baum: weniger Photosynthese. Einen Vorteil vom Naturwald gibt es hinsichtlich des Kühleffekts nicht.

P.S. Und ich habe auch nichts gegen mehr Naturwälder, nur um das nochmal zu betonen...

P.P.S. Ich weiss nur, dass man sich auf Wohlleben nicht so ganz verlassen sollte. Unter Forstwissenschaftlern ist er durchaus umstritten, da er das komplexe System Wald viel zu stark vereinfacht. So einfach ist es nicht.
Hermann Hesse: "Um das Mögliche zu erreichen, müssen wir das Unmögliche immer wieder versuchen."
Laurin
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Re: Der Wald - Waldsterben 2.0

Post by Laurin »

Eisrose wrote: 04.11.2021, 22:07
Laurin wrote: 04.11.2021, 21:47
Dass Naturwälder hunderte von Jahren brauchen um sich aufzubauen, habe ich nirgendwo geschrieben - die Natur holt sich i.d.R. sehr schnell ihre Bereiche zurück, wenn wir sie sich selbst überlassen.
Hier vielleicht:
Laurin wrote: 04.11.2021, 11:43 [...] dass große alte Bäume sich über epigentische Vorgänge über die Jahrhunderte sogar an ändernde Umweltbedingungen anpassen können [...]
Die Aussage darin sollte aber eigentlich eine andere sein, sorry wenn das vielleicht unklar rüber kam:
Nicht gemeint war: Es braucht Jahrhunderte bis große Bäume entstehen (das sind eher Jahrzehnte)
Nicht gemeint war: Es braucht Jahrhunderte bis sich Bäume oder Wälder anpassen können

Gemeint war: Bei sehr alten Bäumen konnte man (z.B. aufgrund der Korrelation von Baumringen mit bekannten klimatischen Veränderungen) erkennen, dass offenbar Anpassungen an die jeweiligen klimatischen Verhältnisse erfolgt sind. Auch wurde beobachtet, dass Bäume, die bei der Aufzucht nicht gegossen werden, tiefere Wurzeln entwickeln, als Bäume die immer schön gegossen wurden - was dann bei Trockenzeiten wiederum helfen kann. Die Conclusio aus solchen Beobachtungen war, dass Bäume in gewissem Umfang offenbar anpassungsfähig an Umweltbedingungen sind und im Laufe der Zeit widerstandsfähiger werden. Das unterbricht man natürlich, wenn man die Bäume nach nur wenigen Jahrzehnten fällt.

Eisrose wrote: 04.11.2021, 22:07 Natürlich holt sich die Natur ihre Bereiche zurück. Nur, dass das so reibungslos läuft, dass ein Naturwald einem Nutzwald sofort überlegen sein muss, habe ich bestritten.

Überlässt man einen Fichtenwald sich selbst, wird da eben nicht auf die Schnelle und von ganz alleine ein Mischwald draus, sondern es wird erstmal ein Fichtenwald bleiben, mit allen Konsequenzen. Wenn der Mensch nicht eingreift, kann es sogar sein, dass an manchen Orten der Wald vom Klimawandel erstmal zerstört wird und wir dort ein paar tausend Jahre überhaupt keinen Wald haben. Aus der Sicht der Natur wäre das ein ganz normaler Vorgang. Es mag eine populäre Vorstellung sein, dass die Natur alles besser kann, das muss aber nicht richtig sein, jedenfalls aus Sicht des Menschen.

Ich gehöre nicht zu denen, die zurück auf die Bäume wollen, um mal im Bild Wald zu bleiben, lach. Die Zivilisation hat uns viel gebracht.
Naja ich wollte jetzt eigentlich auch nicht unbedingt mit der Keule zurück auf die Bäume. :rolleyes:

Dass aus einer bestehenden Monokultur nicht so schnell ein gesunder Mischwald wird, ist schon klar. Wenn die Bäume in einer Monokultur aber z.B. durch Dürre, Borkenkäfer und Windbruch großflächig umgestürzt sind, gibt es durchaus gute Chancen auf einen Neuanfang, wenn man die umgestürzten Bäume weder entfernt, noch neue pflanzt. Beispiel: Wir haben hier z.B. hinter unseren Gärten hinter zwei Schafweiden einen riesigen Ahornbaum stehen. Was der über mehrere hundert Meter an Samen ausstreut, ist unglaublich. Und die gehen überall an - wenn wir nicht beständig die kleinen Jungbäume ausrupfen würden (die sich schon ab 30cm kaum noch ausrupfen lassen), würden sich unsere Gärten ruckzuck in einen Ahornwald-dominierten Mischwald verwandeln. Samen fliegen weit.

Eisrose wrote: 04.11.2021, 22:07
Laurin wrote: 04.11.2021, 11:43 Z.B. den Kühleffekt von Bäumen kann jeder beobachten der sich mal im heißen Sommer unter einen großen Baum setzt - und das dann mit einem Sonnenschirm vergleicht. Pflanzen wir heute Bäume oder lassen wir Natur verwildern, haben wir bereits in wenigen Jahrzehnten einen positiven Effekt - was wir eigentlich auch immer dringender benötigen werden. Es wäre widersinnig, dies nicht zu nutzen.
Nur spielt es überhaupt keine Rolle, ob es sich hier um einen Baum aus einem Naturwald oder einen Baum aus einem Nutzwald handelt. Einzig auf die Grösse kommt es an. Grosser Baum: viel Photosynthese, kleiner Baum: weniger Photosynthese. Einen Vorteil vom Naturwald gibt es hinsichtlich des Kühleffekts nicht.
Unbestritten - wobei der Kühlungseffekt jetzt nicht durch die Photosynthese kommt, sondern durch die Feuchtigkeitsverdunstung der Blätter.

Der Vorteil des Naturwaldes ist aber, dass er resistenter gegen Auswirkungen des Klimawandels ist, und enorme Vorteile hinsichtlich der Artenvielfalt bringt. Das halte ich auch für belegt.

Ich sehe Wohlleben auch nicht als unumstrittenen 'Waldmeister' an, er versucht seine Bücher natürlich spannend zu gestalten und romantisiert und verklärt dabei auch viel - aber er hat schon viele systemische Zusammenhänge gut erkannt, und wenn er das dann populär zusammenfasst, why not. Aber wenn auch nur der Kern seiner Thesen zutrifft (was ich schon für plausibel halte) würde das gerade in waldfreundlichen Regionen wie Deutschland enorme Chancen beim Kampf gegen den Klimawandel eröffnen.

Und diese Chancen sollten wir nutzen. Wir müssen ja nicht gleich die komplette Forstwirtschaft auf den Kopf stellen, sollten aber einfach mal deutlich mehr naturbelassene Wälder zulassen, und beobachten wie sich das entwickelt. Ein Fehler kann es auch nicht sein, zu versuchen klimaschädliches Verhalten wie flächenraubendes Fleisch aus Massentierhaltungen oder Holzverfeuerungen durch gesündere und nachhaltigere Verfahren zu Gunsten von gesunden Naturwäldern zu ersetzen.
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Re: Der Wald - Waldsterben 2.0

Post by giffi marauder »

Laurin wrote: 05.11.2021, 02:34 Dass aus einer bestehenden Monokultur nicht so schnell ein gesunder Mischwald wird, ist schon klar. Wenn die Bäume in einer Monokultur aber z.B. durch Dürre, Borkenkäfer und Windbruch großflächig umgestürzt sind, gibt es durchaus gute Chancen auf einen Neuanfang, wenn man die umgestürzten Bäume weder entfernt, noch neue pflanzt. Beispiel: Wir haben hier z.B. hinter unseren Gärten hinter zwei Schafweiden einen riesigen Ahornbaum stehen. Was der über mehrere hundert Meter an Samen ausstreut, ist unglaublich. Und die gehen überall an - wenn wir nicht beständig die kleinen Jungbäume ausrupfen würden (die sich schon ab 30cm kaum noch ausrupfen lassen), würden sich unsere Gärten ruckzuck in einen Ahornwald-dominierten Mischwald verwandeln. Samen fliegen weit.
Ja, das Problem kenne ich. :(
Ahorn ist da ziemlich wuchsfreudig und ist erst mal ein Wurzelstock in der Erde, fast nicht mehr lsozuwerden ohne
den auszubuddeln. :-D

Aber man sollte das natürliche Waldwanderpotential auch nicht überschätzen.
Selbst wenn ein Baum pro Jahr seine Samen 100 m weit streut und dort binnen eines Jahres ein neuen Baum wachsen würde,
der wiederum seine Samen 100 m weiter streut, würde sich sich dieser Baumbestand doch nur mit einer Geschwindigkeit
von 1 km in 10 Jahren ausbreiten.

Aber auch das wäre nur möglich, wenn die Jung-Bäume am ganzen Weg auch wachsen können, was auf Grund
von Barrieren wie Wiesen, Feldern, Flüsse und Bergen oft gar nicht möglich ist.

So wird z.B. der Mitteleuropäische Fichtenbestand ja nicht einfach nach Norden "abwandern", sondern sich in die Höhenlagen
über 600m zurückziehen.
Damit wird sich die für diese Baumart geeignete Fläche aber drastisch reduzieren und sich mehr und mehr
genetisch isolierte Inselpopulationen ausbilden.

Genausowenig werden mediterane Baumarten auf natürlichem Weg so einfach mal die Alpen überqueeren.

Samenverfrachtung und durch Wind oder Tiere oder Ausbreitung über Wurzeln lasse ich mal weg.
Physik ist keine grüne Ideologie.
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Re: Der Wald - Waldsterben 2.0

Post by Laurin »

giffi marauder wrote: 05.11.2021, 08:46 ...
Genausowenig werden mediterane Baumarten auf natürlichem Weg so einfach mal die Alpen überqueeren.
...
Ach echt? :giggle:

(Aber was ja nun kein Schaden ist)
giffi marauder
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Re: Der Wald - Waldsterben 2.0

Post by giffi marauder »

Laurin wrote: 05.11.2021, 15:10
giffi marauder wrote: 05.11.2021, 08:46 ...
Genausowenig werden mediterane Baumarten auf natürlichem Weg so einfach mal die Alpen überqueeren.
...
Ach echt? :giggle:

(Aber was ja nun kein Schaden ist)
Also ich hätte gern Säulen-Zypressen in meinem Garten und Pinien aus eigener Ernte wären auch nett. :-D
Die 2 die ich hatte sind gleich im ersten Winter jämmerlich erfroren. :(
Aber das wird schon noch. ;)
Physik ist keine grüne Ideologie.
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